Macht der Sprache - Kraft der Worte

10.08.2020

Die aktuellen Entwicklungen in den Medien und diversen Diskussionsforen zeigen, dass allgemeine Normen nicht ausreichen, um unsere Kommunikationskultur friedlich zu gestalten. Das Beharren auf Regeln der Kommunikation kann sogar zu einem gegenteiligen Effekt führen, der sich in Aussagen wie "Das wird ja man wohl noch sagen dürfen!" versteckt oder in unverhohlenen Beleidigungen und Bedrohungen im vermeintlich anonymen Internet entlädt. Was braucht es dann stattdessen für eine tiefgehende Transformation unserer Kommunikationskultur und der zugrundeliegenden inneren Haltung?

In der Kommunikationspsychologie finden sich verschiedene Erkenntnisse und Modelle, wie Kommunikation zielführender, friedlicher und dialogorientierter gestaltet werden kann. Ein "Du nervst mich" kommt beim Empfänger anders an als ein "Ich bin gerade genervt" und ermöglicht einen offeneren Dialog. Dabei ist Eines zu beachten: Kommunikationstechniken sind immer nur so gut wie die Haltung, von der sie getragen werden. Bin ich feindselig eingestellt oder halte mein Gegenüber für dumm oder minderwertig, wird diese Haltung durch die Kommunikation `durchscheinen` und jedwede Technik zu einem Trick verkommen lassen. Deshalb legt die buddhistische Perspektive im Bezug auf Kommunikation ihren Schwerpunkt auf die Haltung unseres Geistes.

Achtsame Wortwahl jenseits Political Correctness

Neben Meditation und Achtsamkeit prägt auch Kommunikation unseren Geist. Worte können Verbindungen schaffen und Herzen berühren oder auch Herzen brechen und Gier, Aggression oder Hass schüren. Die Worte, die wir wählen, sind nicht nur ein Ausdruck inneren Erlebens, sie bilden die Brücken zu Anderen und beeinflussen gleichermaßen die Realität, die wir wahrnehmen. Das ist der Grund, warum wir im Buddhismus einige sehr verbindliche Anweisungen für unser Sprechen und Hören finden. Sie alle zielen darauf ab, einen möglichst sanften, friedlichen und freundlich gestimmten Geist zu kreieren.

Um den destruktiven Effekten der Kommunikation vorzubeugen, finden sich in den buddhistischen Lehren zahlreiche Empfehlungen, wie beispielsweise in dem vierten Sila (Abstand nehmen von Unwahrheit sprechen) oder dem dritten Aspekt des Achtfachen Pfades, der `rechten Rede`. Dabei geht es um eine innere Haltung, von der aus wir wahrhaft und wohlgesonnen mit unserer Umwelt kommunizieren und nicht (nur) darum normative Regeln aufzustellen oder festzulegen, wie sich politisch korrekt zu äußern sei.

Transformation ist Haltungssache

Bei einer tiefgehenden Transformation unserer Kommunikation geht es darum, durch fortwährendes Praktizieren unseren Geist zu formen und ihm positive Muster und Gewohnheiten beizubringen. Dies gelingt durch achtsames Ausrichten unserer Aufmerksamkeit und Denkgewohnheiten. Im Buddhismus unterscheiden wir zwischen heilsamen und unheilsamen Gedanken. Heilsam sind uns und andere förderliche Gedanken, die konstruktiv sind und sich nicht in unnützen Spekulationen verlieren.

Dementsprechend fällt auch unsere Sprache aus. Sie spiegelt unsere Geistesverfassung und lässt sich mit Hilfe von Achtsamkeit bewusst steuern. Ich habe die Wahl, ob ich in einer rauen und harschen, den Anderen verletzenden Sprache spreche oder in einer einfühlenden und sanften Sprache kommuniziere.

Schon zu Beginn einer Kommunikation kann ich darauf achten, aus welcher Haltung heraus ich dem anderen begegne. Ist diese von Ärger, Wut oder Aggression geleitet, bin ich gereizt oder fühle mich gestresst, so sind das Warnsignale, mich erst einmal um mich zu kümmern, mir meine Gefühlslage tiefer anzuschauen statt meinen Ärger einfach weiterzugeben. Dazu kann auch gehören, dass ich über meine Verfassung spreche, zum Ausdruck bringe, wie es mir gerade geht.

Es gibt in den Lehren zudem konkrete Hinweise, welche Inhalte unserer Kommunikation eher förderlich und welche uns und andere eher schaden könnten. Wir sollten uns beispielsweise vor Tratsch hüten, denn dieser bringt nur Unruhe mit sich und ebenso sollten wir nicht intrigieren, verletzende Worte sprechen und natürlich beim Sprechen der Wahrheit verpflichtet sein. Damit ist auch gemeint, nur das weiterzugeben, von dem wir wirklich wissen, dass es wahr ist. Wer dieses Gebot ernst nimmt, wird schnell merken, dass damit unsere Kommunikation sich auf ein gesundes Maß reduziert. Denn leider sprechen wir zu oft über Dinge, die wir nur vom Hörensagen her kennen oder geben ungeprüft "Fake-News" weiter. Georg Christoph Lichtenberg warnte, dass die schlimmsten Lügen Wahrheiten wären, die mässig entstellt seien. Und auch für Buddhisten gilt die Weisheit eines Friedrich Nietzsches, der feststellte: "Überzeugungen sind schlimmere Feinde der Wahrheit, als die Lüge."

Wir sind verantwortlich für unsere Geisteshaltung

Als lebendige und fühlende Wesen sind wir sowohl Erlebende als auch Schaffende unserer ständigen Geistesaktivitäten. Die Sprache ist nicht nur Ausdruck des Geistes - oder Herzensgeistes - sie ist, neben Gedanken und Taten, eine wichtige Quelle und Verstärkung unserer Gewohnheiten. Wer häufig ausgrenzende oder verletzende Sprache nutzt, erhöht die Wahrscheinlichkeit dies auch in Zukunft weiter zu tun. Hinzu kommt, dass eine schleichende Gewöhnung an und Akzeptanz von Gier- bzw. Hass-Reden stattfindet, die immer weiterwächst. So kann aus dem ursprünglichen "Du nervst mich" erstaunlich schnell eine Morddrohung werden.

Die buddhistische Lehre zeigt Möglichkeiten auf, Einfluss auf unsere Geistesaktivitäten zu nehmen und diese zu transformieren. Je nach Verfassung fällt es uns leichter oder schwerer Geistesqualitäten wie die vier Brahma Viharas zu entfalten. Als Brahma Vhara (Liebevoller Geist) gelten Wohlwollen, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut.

Pflege des Geistes, Pflege der Sprache

Um unbewussten und schleichenden Gewöhnungsprozessen vorzubeugen gilt es - insbesondere in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen, achtsam unsere Geistesverfassung zu betrachten. Denn wenn wir nicht mit Hilfe der Achtsamkeit unsere Sprache und unseren Geist beobachten, läuft dieser Prozess unbewusst ab. Achtsamkeit ist es auch, die uns wach macht für Infiltration und Hetze. Sie schützt uns vor Irrglauben und Täuschung.

Die kontinuierliche Übung kann dazu beitragen, dass wir generell unser Denken besser in den Griff bekommen. Wir lernen unnötiges und belastendes Gedankenkreisen schneller zu beenden oder sind so achtsam geworden , dass wir sie gar nicht mehr aufsteigen lassen. Menschen, die einen solch ruhigen und stabilen Geist haben sind nicht nur selbst gefestigter, sondern strahlen ihre Ruhe auch auf ihre Mitmenschen aus. In der heutigen schnelllebigen Zeit, in der viele Menschen gestresst und aufgeregt sind, in der ein Hype den anderen jagt, sind gefestigte und in sich stabile Menschen sehr wichtig geworden.

Beim Kommunizieren kann ich entscheiden, ob ich mit den störenden, kritischen und belastenden Aspekten beginne oder erst einmal mir bewusst mache , was es auch alles an erfreulichen und dankenswerten Momenten gibt. Ich entscheide, ob ich meinem Gegenüber wohlwollend und unterstützend gegenübertrete oder harsch, kritisch und feindselig.

Vor allem wenn wir uns im Recht fühlen, hilft der Blick nach innen: Von welchem Geist sind meine Botschaften getragen? Recht-Haben wollen? Kann ich mich gegen Hass und ausgrenzende Reden aussprechen ohne selbst die Ablehnung in mir zu verstärken? Die Praxis der Vier Brahma Viharas zeigt hierzu eine hoch effektive Möglichkeit den eigenen Geist in der Kommunikation zu pflegen.

Gleichmut heißt sich den Worten oder Taten anderer zu stellen, ohne sich provozieren oder mitreissen zu lassen. Es bedeutet ebenso Jeden, unabhängig ob `Freund` oder `Feind`, mit Respekt zu behandeln. Gleichmut wächst da, wo wir erkennen, dass wir alle in unseren Ängsten und Wünschen uns ähnlich sind. Erkennen und akzeptieren wir diese Ähnlichkeit steigt auch das Wohlwollen uns selbst und anderen gegenüber und drückt sich automatisch in unseren Worten aus. Dies bedeutet keinesfalls zu allem "Ja und danke" zu sagen. Ein klares Nein kann ebenso von Mitgefühl und Wohlwollen getragen sein. Ein guter Einstieg in die Praxis der Brahama Viharas kann die Mitfreude sein: Wie oft sage ich meinen Menschen, dass ich mich für sie freue? Wie oft drücke ich Wertschätzung und Dankbarkeit aus?

Fazit

Wir können nicht in die Haltung unsere Mitmenschen eingreifen, aber wir können unsere eigene pflegen und durch unsere Art der Kommunikation Gier- und Hass Liebe und Mitgefühl entgegensetzen. Gelingt es uns verschlossene Herzen zu öffnen, so mag das manchmal nur wie ein Tropfen auf einem heißen Stein erscheinen, aber was wäre der Ozean ohne seine Tropfen?

geschrieben von Werner Heidenreich und Anna Karolina Brychcy, veröffentlich in der Zeitschrift BUDDHISMUS aktuell (3 / 2020)

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